Ansicht 27 – Kampf um die Stadt

Kampf um Favoriten

Ein historischer Spaziergang durch Favoriten.
Mit Dr. Jens Wietschorke vom Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien.

Der Erste Spaziergang am 14.8.2015 mit Treffpunkt Columbusplatz, 17:00 Uhr organisiert von Arno RablsMitten in Favoriten“ war ein großartiger Erfolg. Trotz des heißesten Abend, es hatte gute 30° im Schatten, kamen über 30 interessierte Personen. Und ich bin fest überzeugt, dass keiner von diesen es bereut hat, daran teilgenommenen zu haben.

Kampf um Favoriten (3)

Nach kurzer Einführung über die geschichtliche Entwicklung des Bezirkes im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Bezirk war ein Platz für politische Auseinandersetzungen, und an der Stadtentwicklung und Architektur des Bezirkes lässt sich dies gut darstellen.
Wir gingen über die Laxenburgerstraße zum Arbeiterheim Favoriten. Dieses Haus war einer der wichtigsten Kristallisationspunkte für die Entstehung der sozialistischen Bewegung in Österreich und spiegelt mit seinen Werdegang die Geschichte Österreichs wider.

Das Jugendstilhaus wurde von Arch. Hubert Gessner, einem Schüler von Otto Wagner, geplant und am 6. September 1902 feierlich eröffnet. Wir erfuhren auch, dass Dr. Adler den notwendigen Kredit zum Erwerb des Grundstückes und zum Bau des Hauses durch den Besitzer der Ottakringer Brauerei Moritz Kuffner bekam.

Aber das Arbeiterheim stand nicht immer unter einen guten Stern. So berichten die Zeitungen am 7. November 1902 Manipulation der Christlich-Sozialen Landtags-Stichwahl zwischen Dr. Adler und den „Christlichen“. Wien X., die Wache dringt in das Arbeiterheim Favoriten und haut mit blanker Waffe in die auf das Wahlresultat wartenden Menge ein. Resultat, 15 Schwerverletzte und eine große Anzahl an Leichtverletzten.

Im Februar 1934 wurde das Arbeiterheim von den Austrofaschisten besetzt Vertrauensmänner verhaftet, Kassen und Bücher beschlagnahmt. Und die zum Gedenken an die Bluttaufe von 1902 angebrachte Mauertafel herausgerissen und zertrümmert.

Im Jahre 1945 wurde das Haus von der russischen Besatzungsmacht besetzt und die Kommandantur für den 10. Bezirk untergebracht. Am Montag, den 13. August 1951 wurden dann dem sozialistischen Bezirksvorsteher WRBA von einem Offizier der Sowjets die Schlüssel des Arbeiterheimes übergeben.

Pressespiegel August 1983: „Abbruch bedroht das „Rote Haus“ von Favoriten“
„Statt Arbeiterheim Favoriten Shoppingcenter“ . Geht es nach den Mächtigen, dann wird in den nächsten Wochen ein Abbruchkommando in das Arbeiterheim Favoriten einziehen.

Eine Gruppe Wiener Sozialisten kämpfen jedoch für die Erhaltung dieses wichtigen Schauplatzes ihrer Bewegung. Ein Personenkomitee „ Rettet das Arbeiterheim Favoriten“ wurde gegründet.

Jetzt steht es wiederum leer! Und wartet auf ?

Zwei Häuser weiter gibt es an der Fassade ein Mosaik über die harte Arbeit der ZiegelarbeiterInnen, die erinnern sollen an die Ausbeutung der Ziegelarbeiter am Wienerberg.

Wir gingen dann weiter zur Keplerkirche und den Magistratischen Bezirksamt, wobei der rote Ziegelbau in seiner ganzen Pracht beeindruckte. Auch die Gegenüberstellung zwischen Kirche und Politik kam gut zum Ausdruck. Gleich Visavis der Zürcher Hof. Der Gemeindebau, der erst nach 1945 so benannt wurde und wo auch das erste Warenhaus GÖC untergebracht war.

Anschließend besichtigten wir das 1931 neuerbaute Postamtsgebäude in der Buchengasse und gingen dann weiter bis zum Antons Platz und besichtigten die Pfarrkirche des Hl. Anton von Padua.

Für das erweiterte Wien war es im Interesse der Seelsorge des Bürgertums notwendig eine neue Kirche zu erbauen. Im Jahre 1894 wurde der Referent in Kirchenbauangelegenheiten von St. Stephan Domprälat Karl Seidl beauftragt von der Begründung des Projektes bis zur Vollendung des Baues mitzuwirken. Baurat Franz Ritter von Neumann brachte den Vorschlag ein, diese Kirche in byzantinischen Stil nach dem Muster des St. Marcus Doms in Venedig zu errichten. Dem auf Kirchenbauten spezialisierte K.u.K Hofbaumeister Josef Schmalzhofer wurden sämtliche Baumeisterarbeiten übertragen. Und so konnte schon am 10. November 1896 im Beisein von Kaiser Franz Josef die Grundsteinlegung erfolgen. Die feierliche Einweihung dieser Kirche fand dann am Sonntag, den 10. November 1901 statt.

Dann ging es weiter zur letzten Station, zum Amalienbad.
Diese Badeanstalt wurde in den Jahren 1923 bis 1926 nach den Plänen der Architekten Karl Schmalhofer und Otto Nadel errichtet. Die Strukturen an den Fassaden schuf Karl Stemolka.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Bad schwer beschädigt. Und in den Jahren 1979 bis 1986 umfangreich generalsaniert.

„Das Amalienbad wird heute eröffnet“

So berichtete die Arbeiterzeitung vom 8. Juli 1926: Ein Bad für 1300 Badegäste. Die größte und modernste Sportschwimmhalle Europas. Mit einem 10 Meter Sprungturm, Gesundheitsbädern usw. Überflüssiger Luxus nennen es die Christlich-sozialen, und Verschwendung von Steuergelder, weil es vor allem Arbeitern zugutekommen soll. Am 8. Juni 1927 wurde bereits der Millionste Badegast erwartet. Den Namen „Amalienbad“ erhielt es nach der in Jahr 1924 verstorbenen Gemeinderätin Amalie Pölzer, geborene Baron. Bekannt war ihr Großvater, der als Ziegelarbeiter, Viktor Adler in die Wienerberger Ziegelwerke einschleuste. Dort verschaffte sich Adler ein Bild von der tristen Lage der Ziegelarbeiter welche er in einer aufrüttelnden Berichterstattung in der „Gleichheit“ publizierte.

Soweit der 1. Stadtspaziergang durch Favoriten und ich glaube in aller Namen der Teilnehmer sprechen zu dürfen, es war ein großartiger Erfolg und wir hoffen, das noch viele Stadtrundgänge folgen werden.

Kampf um Favoriten (2) Kampf um Favoriten (1)

Sehr erfreut grüßt euch,

Euer Baron Karl

Ansicht 26 – Gekommen um zu bleiben

Von Hietzing bis nach Favoriten

Seit 8 Jahren lebe ich nun in Wien und schon lange weiß ich, ich bin gekommen um zu bleiben.

Als ich vor 3 ½ Jahren von Hietzing nach Favoriten umgezogen bin, haben das viele Wiener Freunde nicht verstanden. „Wie kann man nur vom 13. In den 10. Bezirk übersiedeln?“ „Welch ein Abstieg!“ Eine Bekannte meinte halb tröstend, halb fragend: „… auch im 10. gibt es doch schöne Ecken!?“ Worauf ich antwortete: „Ja schon, aber da ziehen wir nicht hin :) !“

„Schön“ kann man die Troststraße wirklich nicht nennen, aber bunt, lebendig und sehr praktisch – all das, was ich in Hietzing vermisst habe. Von der Apotheke über Lebensmittelgeschäfte aller Art bis zu Bank und Post ist alles gleich ums Eck. Die Menschen, denen man in der Tram und auf der Straße begegnet, haben unterschiedlichste Hautfarben und tragen verschiedenartige Kleidung. Komplett verhüllt existiert hier neben Hotpants. Vom grün gefärbten Sidecut der Studentin bis zum Patka der kleinen Sikh-Buben sind alle möglichen Haartrachten und Kopfbedeckungen zu bewundern. Auch sprachlich ist Favoriten sehr bunt. Neben breitem Wienerisch sind Türkisch, Arabisch, Serbisch zu hören und alle möglichen Sprachen die ich nicht zuordnen kann. Da falle ich mit meinem hochdeutschen Akzent, den ich auch nach 8 Jahren nicht verbergen kann, nicht weiter auf. Und auch mit meiner Affinität zum Nahen Osten, wo ich 2 Jahre gelebt habe, fühle ich mich hier sehr zu Hause.
Die Verkehrsanbindung zu meinem Arbeitsplatz und zur Innenstadt ist viel besser als im 13. Bezirk. Wir haben hier unser Auto abgeschafft und leihen uns eins bei Bedarf. Und wenn ich Lust auf Natur haben ist der Wienerberg nicht weit. Auch die GB*10, die Anker-Brotfabrik und die vielen Kunst- und Nachbarschaftsinitiativen machen das Leben in Favoriten für mich lebenswert.

Also ist alles perfekt, so wie es ist?

Nicht ganz! Ein paar Wünsche bleiben noch offen: 
Ich wünschte mir, dass Mitbewohner, die ausziehen, nicht so oft ihre alten Matratzen, kaputten Kühlschränke und zerschlissenen Sessel in unserem Hinterhof vergessen würden…

Ich wünschte mir, dass es in der Fahrradweg-Wüste Favoriten nicht so gefährlich wäre mit dem Rad zu fahren und die nächste Citybike-Station nicht erst am Hauptbahnhof wäre…

Ich wünschte mir, dass es weniger leer stehende Gassenlokale gäbe und dass sie nicht so oft von Wettbüros und Handyläden, sondern mehr von netten Geschäften mit unterschiedlichstem Angebot bezogen würden…

Ich bin zuversichtlich! :)

Rita Kämmerer mitten in FavoritenRita Kämmerer

Vielen Dank, liebe Rita, für deine tollen Eindrücke an und aus Favoriten.

Euer Baron Karl

Ansicht 24 – Regenbogen

Regenbogen

Okay, okay ich geb’s zu. Ich liebe Regenbögen. Und ganz besonders gefallen sie mir, wenn ich sie in unserem schönen Bezirk bestaunen darf. Und dann stell ich mir immer den Sack Gold am Ende des Regenbogens vor… und frage mich, ob dieser denn schon jemals gefunden wurde? Und ist das Ende des Regenbogens noch in Favoriten?

Regenbogen mitten in Favoriten

Träumend verabschiedet sich

Euer Baron Karl

Ansicht 22 – Helmut Zilk Park

Helmut Zilk Park

Liebe Favoritner und -innen,

ich habe es gewagt

ich habe in die Zukunft geblickt

ich war spazieren

in einem großartigen, neuen Park mitten in unserem schönen Bezirk…

Helmut Zilk Park mitten in Favoriten

Nun

zurück in der Gegenwart

will ich euch diesen Anblick nicht vorenthalten…

Freut euch auf ein neues Schmuckstück!

Euer Baron Karl

 

Ansicht 20 – 2015 – Eine Hymne an Favoriten

Eine Hymne an Favoriten!

Im Herbst des Jahres 1955 wurde aus mir eine Favoritnerin.

Mit Ehepartner Stanislaus, einer 13 Monate alten Eva und einem 2 Monate altem Baby namens Walter übersiedelte ich von Gersthof in die Siedlung Wienerfeld! Wir fanden alles herrlich und fühlten uns restlos glücklich! Die Wohnung war zwar klein, aber es war alles vorhanden, was man sich damals als Wohnkomfort wünschte. Und zusätzlich gab etwas für eine Großstadt ganz besonderes. Etwas, das wir in unseren kühnsten Träumen nie zu hoffen gewagt hatten!

Dieses Etwas war ein eigener Garten der zur Wohnung gehörte. Ein Garten wo es eine große Wiese gab, eine Sandkiste und eine Schaukel. Wo unsere drei Kinder – denn zu Eva und Walter hatte sich 4 Jahre später noch ein kleiner Peter gesellt,- ungefährdet einem Ball nachlaufen, mit Reifen spielen und mit gleichaltrigen Kindern viel Spaß haben konnten. Wo Platz war für Geburtstagsfeste, Schulschlussfeiern mit Lampions und Musik und Grillpartys.

Einfach ein Paradies. Für Kinder und auch für uns als Eltern.

Unsere Wohnung gehörte zur Wienerfeldsiedlung Ost, getrennt von der Siedlung West durch die Laxenburgerstraße, damals zweispurig und nur wenig befahren, mit breitem Grünstreifen und Fussgängerwegen an beiden Seiten und am Rande der West-Siedlung begannen landwirtschaftlich genutzte Felder.

1961 war Schulbeginn für Eva und Walter. Weil zwischen ihnen nur 10 ½ Monate Altersunterschied ist, begannen sie gemeinsam.  Die Volksschule war in der Laxenburgerstraße , ungefähr dort, wo heute die Brücke über die Autobahn beginnt. Es war das ehemalige Linienamt an der seinerzeitigen Stadtgrenze und ein altes Gebäude mit entsprechender Ausstattung. Allerdings wurde inzwischen schon an einer neuen Volksschule am Prohaskaplatz gebaut. 1965 durfte ich dort als 2. Obmann – heute würde man ja sagen Obfrau – des Elternvereines, bei der feierlichen Eröffnung den damaligen Bürgermeister Franz Jonas begrüßen.
Und Peter, unser Jüngster startete in diesem schönen, modernen Gebäude sein Schulleben. Die beiden anderen setzten im Gymnasium fort.

Mein Mann und ich gründeten in dieser Zeit ein eigenes Unternehmen.
Standort : na selbstverständlich : Favoriten !

Aber nicht nur im privaten Bereich gab es laufend Veränderungen. Auch der Bezirk entwickelte sich schnell.

  • 1973 wurde Favoriten auf Erdgas umgestellt
  • und 1974 die WIG, die Wiener Internationale Gartenschau auf dem Laaer Berg eröffnet.
  • Gleichzeitig war das Kurzentrum in Oberlaa fertiggestellt
  • und die Strassenbahnlinie 67 bis zur Kuranstalt verlängert worden.

Seinen 100. Geburtstag als Bezirk feierte Favoriten am 27. September 1974.
Deswegen gab es viele Feiern und verschiedenste Ausstellungen be-fassten sich mit einschlägigen Themen. Ein sehr wichtiges Thema war die enorme Bautätigkeit. Die Errichtung des Wohnbereiches Wienerfeld-West-Sibeliusstraße habe ich unmittelbar miterlebt. Aber auch Bauten, die das Erscheinungsbild und die Entwicklung Favoritens entscheidend prägten z.B. der U-Bahnbau mit dem Rheumannplatz als erste Kopfstation der U 1 und der umfangreiche Bau der Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost. Ebenso die Arbeiten an der Südautobahn und in den 80er Jahren die Errichtung des Wrba-Hofes, benannt nach dem damaligen Bezirksvorsteher, und vom Volksmund wegen seiner gelbbraunen Farbe bald Senfburg getauft.
Übrigens in dieser Senfburg lebe ich, nach einem Wohnungstausch, nun seit etwa 10 Jahren. Die Wienerfeldsiedlung war für uns unter anderem wegen der umfangreichen Pflege des Gartens, der uns anfangs so viel bedeutet hatte, belastend geworden. Unsere jetzige Wohnung hat eine Loggia in der die Blumenpflege und der Anbau der Küchenkräuter keine Probleme verursachen.

Beim Blick nach Osten zum Monte Laa und nach Westen Richtung Lainz kann ich Sonnenauf- und -untergang erleben.

In den letzten 2 Jahren war das Wachsen des TWIN-TOWERS neben dem Philipshaus an der Triesterstraße und dem Wienerberger Bürozentrum von meinem Schlafzimmerfenster aus sehr gut zu beobachten. Wegen der Entfernung glücklicherweise unbelästigt von Baulärm und Staub. Seit die beiden vielstöckige Türme fertig sind, erscheinen die riesigen Glasfassaden mehrmals täglich neu. Ihre Farbe wechselt jeweils zugleich mit der Farbe des Himmels und der Wolken, wenn die sich in der Glasfront spiegeln. Manchmal verschwinden das Gebäude in einem heftigen Gewitterregen oder auch im Herbstnebel. Und nachts erscheinen die beiden Türme mit den vielen bunten Lichter als ein futuristisch anmutender Block.

Vom Riesenareal der ehemaligen Wienerberggründe aus, das vom Forstamt der Stadt Wien fachmännisch betreut wird, fasziniert mich immer wieder der weite Ausblick Richtung Süden. In der Dämmerung flimmert das Lichtermeer des dichtbesiedelten Gebietes. Die winzigen kleine Lichtpünktchen, die der Autobahn entlang dauernd in Bewegung sind, erscheinen allerdings nur aus der weiten Entfernung reizvoll,— weil lautlos.

Immerhin hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit immer mehr Menschen, immer mehr Siedlungen und dem laufend steigenden PKW-, LKW- und Flugverkehr, zu immer mehr Lärm, mehr Abgasen und zu ständiger Unruhe geführt.

Der große Bezirk Favoriten ist davon sehr stark betroffen. Am Beispiel Laxenburgerstrasse habe ich diese belastende Entwicklung miterlebt.

Ich hoffe sehr, dass auch in der Zukunft, verantwortungsbewusste Politiker für alte und neue Probleme immer wieder Lösungen finden werden, um den Bewohnern dieser Stadt ein lebenswertes Leben zu ermöglichen.

Meine Hymne auf Favoriten, wie ich das anfangs bezeichnet habe, kann natürlich nur ganz wenige Einzelheiten davon enthalten, warum mir dieser Teil der Großstadt Wien immer mehr ans Herz gewachsen ist.

Es ein ziemliches Wagnis, das war mir schon klar, Ereignisse von fast einem halben Jahrhundert in einem 10 Minuten-Referat unterzubringen.

Aber das Bekenntnis eines Mannes, der, ohne engstirnig zu sein, mit Leib und Seele Favoritner war, hat mich schließlich dazu ermutigt. Es war der ehemalige Bezirksvorsteher von Favoriten, Emil Fucik der in einer Rede bei der Festakademie in der Kurhalle Oberlaa im Oktober 1974 sagte:
Auch wir Großstädter haben ein Heimatgefühl und lieben unseren Bezirk!

Und so darf ich zum Abschluss sagen:
Ich lebe nun fast 50 Jahr in Favoriten.
Ich habe diesen Bezirk liebgewonnen und er ist mir zur Heimat geworden!

Hildegard Klobutschar

Hymne an FavoritenFr. Klobutschar und Ihr Sohn – 1. Von links. Feier zur Eröffnung der neuen Volksschule am Karl-Prohaskaplatz September 1964 durch Bürgermeister Franz Jonas. Begrüßung durch Frau Hildegard Klobutschar als stv. Obmann des Elternvereins.

Eindrucksvolle Zeilen und eine wahrlich rühmliche Hymne auf unseren liebsten Bezirk! Vielen Dank an Hildegard Klobutscher für diese sehr persönlichen Worte und den Einblick in 50 Jahre Favoriten!

Nostalgisch grüßt euch,

Euer Baron Karl

Ansicht 18 – 2015 – Baron Karl

Hallo da bin ich wieder – Ihr Baron Karl!

Heute ist Samstag, der 6. April 1930 ein Sauwetter es schütt wie mit Schaffeln, am liabsten wär ich nicht außegreut aus mein Nischerl…
Aber heute ist Eröffnung der neuen Wohnhausanlage oben bei der „Spinnerin am Kreuz“. „Georg Washington Hof“ nennen sie ihn. Des wor so a ehemaliger Präsident aus Amerika, kanne Zähnt im Mund und bei die „Freimaurer soll er auch gewesen sein. Is ma a Wurscht, vielleicht war er a leiwander Haberer, (guter Mann) ich weiß es nicht, ich nehm´s aber an, weil sonst hätten´s ihm net gewählt. Die Wohnhausanlage, bei der Spinnerin am Kreuz, haben sie genau dort hin gebaut wo die Hinrichtungsstätte war, und wo sie die Toten gleich begraben haben. Früher wie ich noch ein Kind war, sind wir dort vorbei geschlichen, weil wir eine Angst gehabt haben. Ich hab gehört wie sie die Keller ausgehoben haben, da sind sie auf die Gebeine der Hingerichteten gestoßen, die sie dann irgendwo entsorgt haben.
Diese riesige Wohnhausanlage, die von den beiden Architekten Robert OELY und Karl KRIST entworfen und gebaut wurde ist einmalig, und Riesen groß die geht vom Favoriten bis nach Meidling hinein. Man muss sich vorstellen, die alten Zinskasernen die es überwiegend in unsern Bezirk gibt, die sind großteils noch alle mit Wasser und Klo am Gang für 5 bis 10 und oft mehr Mieter. Und jeder dieser Mieter ist zum Reinigen der WC-Anlagen eingeteilt. Fenster in den Wohnungen gibt großteils auch nicht. Nur neben der Eingangstüre, ein kleines Fenster am Gang. Und für diese Löcher von Wohnungen, verlangt der Hausherr noch horrende Mieten. In dieser neuen Anlage sind die Wohnungen mit Wasser und Toiletten in den Wohnungen, großteils auch mit Balkon oder Terrassen. Eine eigene Zentralwaschküche und so weiter. Das die Leute begeistert und dankbar sind, wenn sie so eine Wohnung zugewiesen bekommen, ist verständlich.
Tausende strömen deshalb schon seit den Morgenstunden in die riesige Wohnhausanlage. Alle Höfe in der Anlage haben einen Namen nach einen Baum oder Strauch so gibt es einen Birken Hof, Flieder Hof, Ahorn Hof, Ulmen Hof, Akazien Hof und Eschen Hof und überall Fahnen, Blumen, Lampion´s, Transparente. Zwischen den Häuserzeilen jedes Hofes Alleen, die selbst bei den Regenschauern ein Bild bieten, wie es schöner auch in den größten Wiener Parkanlagen nicht zu finden ist. Die Eröffnung findet im Ahorner Hof statt, die Straßenbahner Musik Kapelle spielt bereits einen schwungvollen Marsch. Und der „Arbeiterradiobund“ besorgt die Übertragung mittels Lautsprecher, die überall montiert sind.

Kurz vor halb elf Uhr war es, als der Bürgermeister SEITZ und die übrigen Festgäste, von unendlichem Jubel begrüßt, eintrafen. Sie haben auch allen Grund, Festfreude zu empfinden. Die Gemeinde Wien hat in den letzten Jahren gewiss eine Reihe von Bauwerken errichtet, die nicht nur als soziale Leistung in die Geschichte eingehen werden. Der Stadtrat WEBER begrüßte die erschienenen Gäste, dann lud der Mietervertrauensmann der Gesamtanlage den Bürgermeister ein, die offizielle Eröffnung vorzunehmen. Bürgermeister „SEITZ“ dankte zuerst den Stadträten WEBER und BREITNER. Wenn heute die Feinde BREITNER´S „ABZUG BREITNER“ schreien, so rufen wir freudigen Herzens „HOCH BREITNER“!!
(Brausender Beifall, immer wieder stürmische Zurufe)
Wer in fünfzig Jahren auf die heutige Zeit zurückschauen wird, wird nichts mehr wahrnehmen von den Feinden BREITNER´S, aber diese Häuser werden stehen und aufrecht stehen werden noch die Jungen, die hier aufgewachsen sind. Sie werden ihm danken, dem Manne, der zur richtigen Zeit, also historisch richtig, an den Aufbau neuer gesunder Wohnstätten schaffte.
(Stürmischer Beifall)
Ich will jetzt nicht die ganze Rede vom Bürgermeister wiedergeben. Aber wie ich dann später in an Papierkorb die Arbeiterzeitung vom 7.April 1930 gefunden habe. Habe ich gelesen, dass am selben Tag, wo die Eröffnung vom „Washington“Hof war, also zum gleichen Zeitpunkt, am Ring die Hausherrn gegen die „Wohnbausteuer“ demonstriert haben. Die Hausherrn wollten, dass der soziale Wohnbau verhindert wird. Das die Arbeiter in den heruntergekommenen Mietskasernen, weiterhin teuren Mietzins bezahlen müssen.

Nach der Besichtigung der Gartenstadt, sind die Festgäste, auch in die Siedlung am Wasserturm gegangen, wo durch die „Heimbeihilfe“ der Gemeinde Wien von der „Gesiba“ 190 Einfamilienhäuser errichtet wurden. Ja, wenn das so weitergeht wird bald der ganze Bezirk zugebaut sein. Aber für mich wird es schon irgendwo ein Platzer´l geben wo i meine alten Knochen ausstrecken kann.

Wenn euch mein Bericht gefallen hat schreibt mir. Vielleicht erzähl ich euch noch von der Eröffnung des Amalienbades, dort war ich nämlich auch dabei.

Es grüßt Euch
Baron Karl