Eine Hymne an Favoriten!
Im Herbst des Jahres 1955 wurde aus mir eine Favoritnerin.
Mit Ehepartner Stanislaus, einer 13 Monate alten Eva und einem 2 Monate altem Baby namens Walter übersiedelte ich von Gersthof in die Siedlung Wienerfeld! Wir fanden alles herrlich und fühlten uns restlos glücklich! Die Wohnung war zwar klein, aber es war alles vorhanden, was man sich damals als Wohnkomfort wünschte. Und zusätzlich gab etwas für eine Großstadt ganz besonderes. Etwas, das wir in unseren kühnsten Träumen nie zu hoffen gewagt hatten!
Dieses Etwas war ein eigener Garten der zur Wohnung gehörte. Ein Garten wo es eine große Wiese gab, eine Sandkiste und eine Schaukel. Wo unsere drei Kinder – denn zu Eva und Walter hatte sich 4 Jahre später noch ein kleiner Peter gesellt,- ungefährdet einem Ball nachlaufen, mit Reifen spielen und mit gleichaltrigen Kindern viel Spaß haben konnten. Wo Platz war für Geburtstagsfeste, Schulschlussfeiern mit Lampions und Musik und Grillpartys.
Einfach ein Paradies. Für Kinder und auch für uns als Eltern.
Unsere Wohnung gehörte zur Wienerfeldsiedlung Ost, getrennt von der Siedlung West durch die Laxenburgerstraße, damals zweispurig und nur wenig befahren, mit breitem Grünstreifen und Fussgängerwegen an beiden Seiten und am Rande der West-Siedlung begannen landwirtschaftlich genutzte Felder.
1961 war Schulbeginn für Eva und Walter. Weil zwischen ihnen nur 10 ½ Monate Altersunterschied ist, begannen sie gemeinsam. Die Volksschule war in der Laxenburgerstraße , ungefähr dort, wo heute die Brücke über die Autobahn beginnt. Es war das ehemalige Linienamt an der seinerzeitigen Stadtgrenze und ein altes Gebäude mit entsprechender Ausstattung. Allerdings wurde inzwischen schon an einer neuen Volksschule am Prohaskaplatz gebaut. 1965 durfte ich dort als 2. Obmann – heute würde man ja sagen Obfrau – des Elternvereines, bei der feierlichen Eröffnung den damaligen Bürgermeister Franz Jonas begrüßen.
Und Peter, unser Jüngster startete in diesem schönen, modernen Gebäude sein Schulleben. Die beiden anderen setzten im Gymnasium fort.
Mein Mann und ich gründeten in dieser Zeit ein eigenes Unternehmen.
Standort : na selbstverständlich : Favoriten !
Aber nicht nur im privaten Bereich gab es laufend Veränderungen. Auch der Bezirk entwickelte sich schnell.
- 1973 wurde Favoriten auf Erdgas umgestellt
- und 1974 die WIG, die Wiener Internationale Gartenschau auf dem Laaer Berg eröffnet.
- Gleichzeitig war das Kurzentrum in Oberlaa fertiggestellt
- und die Strassenbahnlinie 67 bis zur Kuranstalt verlängert worden.
Seinen 100. Geburtstag als Bezirk feierte Favoriten am 27. September 1974.
Deswegen gab es viele Feiern und verschiedenste Ausstellungen be-fassten sich mit einschlägigen Themen. Ein sehr wichtiges Thema war die enorme Bautätigkeit. Die Errichtung des Wohnbereiches Wienerfeld-West-Sibeliusstraße habe ich unmittelbar miterlebt. Aber auch Bauten, die das Erscheinungsbild und die Entwicklung Favoritens entscheidend prägten z.B. der U-Bahnbau mit dem Rheumannplatz als erste Kopfstation der U 1 und der umfangreiche Bau der Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost. Ebenso die Arbeiten an der Südautobahn und in den 80er Jahren die Errichtung des Wrba-Hofes, benannt nach dem damaligen Bezirksvorsteher, und vom Volksmund wegen seiner gelbbraunen Farbe bald Senfburg getauft.
Übrigens in dieser Senfburg lebe ich, nach einem Wohnungstausch, nun seit etwa 10 Jahren. Die Wienerfeldsiedlung war für uns unter anderem wegen der umfangreichen Pflege des Gartens, der uns anfangs so viel bedeutet hatte, belastend geworden. Unsere jetzige Wohnung hat eine Loggia in der die Blumenpflege und der Anbau der Küchenkräuter keine Probleme verursachen.
Beim Blick nach Osten zum Monte Laa und nach Westen Richtung Lainz kann ich Sonnenauf- und -untergang erleben.
In den letzten 2 Jahren war das Wachsen des TWIN-TOWERS neben dem Philipshaus an der Triesterstraße und dem Wienerberger Bürozentrum von meinem Schlafzimmerfenster aus sehr gut zu beobachten. Wegen der Entfernung glücklicherweise unbelästigt von Baulärm und Staub. Seit die beiden vielstöckige Türme fertig sind, erscheinen die riesigen Glasfassaden mehrmals täglich neu. Ihre Farbe wechselt jeweils zugleich mit der Farbe des Himmels und der Wolken, wenn die sich in der Glasfront spiegeln. Manchmal verschwinden das Gebäude in einem heftigen Gewitterregen oder auch im Herbstnebel. Und nachts erscheinen die beiden Türme mit den vielen bunten Lichter als ein futuristisch anmutender Block.
Vom Riesenareal der ehemaligen Wienerberggründe aus, das vom Forstamt der Stadt Wien fachmännisch betreut wird, fasziniert mich immer wieder der weite Ausblick Richtung Süden. In der Dämmerung flimmert das Lichtermeer des dichtbesiedelten Gebietes. Die winzigen kleine Lichtpünktchen, die der Autobahn entlang dauernd in Bewegung sind, erscheinen allerdings nur aus der weiten Entfernung reizvoll,— weil lautlos.
Immerhin hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit immer mehr Menschen, immer mehr Siedlungen und dem laufend steigenden PKW-, LKW- und Flugverkehr, zu immer mehr Lärm, mehr Abgasen und zu ständiger Unruhe geführt.
Der große Bezirk Favoriten ist davon sehr stark betroffen. Am Beispiel Laxenburgerstrasse habe ich diese belastende Entwicklung miterlebt.
Ich hoffe sehr, dass auch in der Zukunft, verantwortungsbewusste Politiker für alte und neue Probleme immer wieder Lösungen finden werden, um den Bewohnern dieser Stadt ein lebenswertes Leben zu ermöglichen.
Meine Hymne auf Favoriten, wie ich das anfangs bezeichnet habe, kann natürlich nur ganz wenige Einzelheiten davon enthalten, warum mir dieser Teil der Großstadt Wien immer mehr ans Herz gewachsen ist.
Es ein ziemliches Wagnis, das war mir schon klar, Ereignisse von fast einem halben Jahrhundert in einem 10 Minuten-Referat unterzubringen.
Aber das Bekenntnis eines Mannes, der, ohne engstirnig zu sein, mit Leib und Seele Favoritner war, hat mich schließlich dazu ermutigt. Es war der ehemalige Bezirksvorsteher von Favoriten, Emil Fucik der in einer Rede bei der Festakademie in der Kurhalle Oberlaa im Oktober 1974 sagte:
Auch wir Großstädter haben ein Heimatgefühl und lieben unseren Bezirk!
Und so darf ich zum Abschluss sagen:
Ich lebe nun fast 50 Jahr in Favoriten.
Ich habe diesen Bezirk liebgewonnen und er ist mir zur Heimat geworden!
Hildegard Klobutschar
Fr. Klobutschar und Ihr Sohn – 1. Von links. Feier zur Eröffnung der neuen Volksschule am Karl-Prohaskaplatz September 1964 durch Bürgermeister Franz Jonas. Begrüßung durch Frau Hildegard Klobutschar als stv. Obmann des Elternvereins.
Eindrucksvolle Zeilen und eine wahrlich rühmliche Hymne auf unseren liebsten Bezirk! Vielen Dank an Hildegard Klobutscher für diese sehr persönlichen Worte und den Einblick in 50 Jahre Favoriten!
Nostalgisch grüßt euch,
Euer Baron Karl